SafeStart-Autor Larry Wilson thematisierte bei der letzten Reihe der SafeConnection Panel-Diskussionen ein uraltes Problem: Die „Produktion“ wird für Hektik bei der Arbeit verantwortlich gemacht. Experten von international führenden Unternehmen teilten ihre wertvollen Erfahrungen und erklärten, wie sie das klassische Problem angehen, die Anforderungen von Produktion und Sicherheit in Einklang zu bringen
Doch stellen wir zu Beginn die Tatsachen klar: Hektik entsteht nicht „wegen der Produktion“, sondern um Zeitverluste auszugleichen, die wegen eines Fehlers entstanden sind, entweder im Prozess selbst oder durch mangelnde Vorbereitung. Leider gibt es immer noch viele Menschen, die meinen, dass Sicherheit Zeit und Geld kostet und dabei weder die Produktion noch die Qualität verbessert. Fakt ist jedoch, dass sich beides steigern lässt, indem man sich die Zeit nimmt, menschliche Fehler zu reduzieren!
- Durch das Anbringen einer Schutzvorrichtung an einer rotierenden Maschine beispielsweise läuft diese Maschine natürlich nicht schneller, aber wenn die Schutzvorrichtung eine Verletzung verhindert, die zu einem Zeitverlust geführt hätte, dann ist dies für die Produktion sicherlich vorteilhaft.
- Das Fazit daraus? Vertrauenswürdige Unternehmen haben sich von der alleinigen Ausrichtung auf die Produktion oder die Qualität abgewandt und richten ihren Fokus jetzt auf mehr als nur die Risiken.
- Sie tun dies, weil sie wissen, dass die Reduktion menschlicher Fehler mit hoher Wahrscheinlichkeit die Produktion verbessert, die Moral der Mitarbeiter hebt und Kundenbeschwerden und Qualitätsprobleme reduziert.
Erkenntnisse aus Untersuchungen von SafeStart Vice President Teg Matthews: Aufgrund seiner Erfahrungen mit Fokusgruppen am runden Tisch schätzt Teg, dass ein Fünftel der EHS-Fachleute einen blinden Fleck hat und keine Probleme sieht, wenn es darum geht, ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Sicherheit herzustellen.
Etwa 70 Prozent haben noch mit dem Problem zu kämpfen, sprechen jedoch offen darüber, wie sie das Problem angehen. Die restlichen zehn Prozent arbeiten in Unternehmen, bei denen Sicherheit fest in der Unternehmenskultur verankert ist und es daher keine Spannungen zwischen Produktion und Sicherheit gibt.
Kurz zusammengefasst: Vor diesem Hintergrund möchte Larry erfahren, wie die Diskussionsteilnehmer das Thema des Gleichgewichts zwischen Produktion und Sicherheit insgesamt wahrnehmen und ob ihre Kollegen immer noch meinen, dass die beiden Bereiche im Konflikt zueinander stehen:
- Hector Salazar (H&S Direktor, Dragados Canada) erklärt, dass drei Viertel der Abteilungsleiter in Indien, mit denen er zusammenarbeitet, angeben, dass sie damit zu kämpfen haben zu bestimmen, was beim Abwägen von Produktion und Sicherheit wichtiger ist oder wie sie beides miteinander vereinbaren können.
- Aus europäischer Sichtweise schätzt Keith Hole (Direktor und Thought Leader, TSM UK Consulting), dass „etwa 75 Prozent bei diesem Thema noch ganz am Anfang stehen. 25 Prozent sind schon auf dem richtigen Weg.“
- Fazit: Spannungen zwischen Produktion und Sicherheit bleiben ein reales Problem – weltweit.
Was man nicht übersehen sollte: Es gibt schon entscheidende Fortschritte bei der Integration von Sicherheit in alle Geschäftsprozesse und der Anerkennung ihrer Bedeutung durch die Vorstände.
- „Wir setzen dieses Konzept von Sicherheit, Qualität, Umweltschutz und Geschäftsprozessen Hand in Hand um“, sagt Arun Subramanian (Senior Associate Vice President & Head – HSE, Coromandel International). „Sie können diese Bereiche oder ihre Funktionen nicht voneinander trennen. Dies wird intern anhand von organisierten Programmen durch die oberste Führungsebene gelenkt.”
- David Bianco (Globaler SafeStart Programm-Manager, Epiroc) ist derselben Meinung: „Sicherheit als eine weitere „Sache“ oder zusätzliches Element bei allem, was man tut, zu betrachten, ist meist eine problematische Sichtweise…. Es geht ganz klar um die Integration von Sicherheit.“
- David fügt hinzu, dass die technischen Ausrüstungen, die Epiroc im Produktionsbereich einsetzt, über visuelle Anleitungen für den Zusammenbau der Produkte verfügen, zu denen auch sicherheitsbezogene Überlegungen und menschliche Faktoren gehören, wie beispielsweise „Achten Sie auf die Gefahrenzone“ oder „Dies ist ein schwerer Gegenstand, Sie können möglicherweise ermüden“.
Industrie-Perspektive von Teg Matthews von SafeStart: „Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen an vorderster Front verstehen – und zwar die Ausrichtung und die Bestandteile des Systems – und über das Wissen verfügen, um über Sicherheit zu sprechen und wie sich Sicherheit integrieren lässt. Außerdem müssen sie verstehen, dass es ein Kommunikationssystem innerhalb des Unternehmens gibt, mit dem dieses Thema in beide Richtungen kommuniziert werden kann, nach oben und nach unten.“ Manchmal entspricht der Fokus auf Sicherheit, den die oberste Führungsebene kommunizieren möchte, nicht dem, was an vorderster Front wahrgenommen wird.
Kultureller Wandel braucht Zeit – es gibt aber ein Mittel, das bei diesem Problem Abhilfe schaffen kann: junge Berufsanfänger und neue Mitarbeiter. Dies ist keine schnelle Lösung, aber eine sinnvolle, wenn ein Unternehmen eine langfristige Veränderung im Blick hat:
- „Neue Mitarbeiter sind viel cleverer. Wenn diese Programme umgesetzt werden können, um sie bereits an den Schulen und Hochschulen zu gewinnen, dann müssen Sie nicht darauf warten, dass die Industrie Sicherheit, Umweltschutz und Qualität fördert, sondern können bereits die Schüler und Studierenden darin ausbilden”, erklärt Arun. Die neue Generation der Berufsanfänger bietet die Chance, die Lücke zwischen Produktion und Sicherheit zu schließen.
- Larry stimmt dem zu: „Besonders in Bezug auf die Gewohnheiten”, sagt er. „Wenn man von Anfang an gute Gewohnheiten einübt, muss man sich keine schlechten Gewohnheiten abgewöhnen.“
- Der Wandel eines Unternehmens von einem rein produktionsorientierten hin zu einem ausgewogenen Unternehmen mit dem Fokus auf Sicherheit dauert vermutlich fünf bis zehn Jahre, wobei sich das „Topmanagement als entscheidender Katalysator” erweist, wie Ravindra Dhapola feststellt (Leiter Unternehmens SHE, CSR & Nachhaltigkeit, Tata Coffee).
- Dieser Zeitraum wurde auch von anderen Diskussionsteilnehmern wie Arun und Hari Kumar (Direktor Group EHS Assurance, Emirates National Oil Company) bestätigt.
Wie sieht es mit dem Gleichgewicht zwischen Produktion und Sicherheit bei Unternehmen aus, die mit Fremdfirmen zusammenarbeiten? Sicherlich ist es eine noch größere Herausforderung, temporärem Personal die Botschaft „Sicherheit ist genauso wichtig“ zu vermitteln. Und das erfordert eine unermüdliche und kontinuierliche Kultivierung über „Sicherheits-Champions“ und kommunikative Vermittlung der richtigen Mentalität:
- Hari meint dazu: „Unternehmen investieren viel Mühe in ihre eigene Organisation, haben aber nicht dieselbe Kontrolle über Fremdfirmen.“ Er merkt an, dass sein Unternehmen seit sechs Jahren externe Auftragnehmer zu den Themen Rettungsmaßnahmen, Bewusstseinsbildung und Karten (zur Beobachtung des Verhaltens) engagiert, aber die „Mentalität“ gerne noch weiter entwickeln möchte.
- Bei Coromandel versteht Arun auch, welche Herausforderung es bedeutet, mit vielen Fremdfirmen zusammenzuarbeiten. Er meint aber auch: „Wenn man eine Reihe von Champions innerhalb des Unternehmens gewinnen kann, dann stellt die Transformation bei diesen Auftragnehmern keine so große Herausforderung mehr dar.” Er erklärt dazu, dass Coromandel ein Programm für Fremdfirmen durchführt, bevor diese beauftragt werden, um eine Verschiebung des Fokus‘ von der Produktion zur Sicherheit zu fördern. Anschließend werden deren Mitarbeiter durch die „Champions“ betreut und überwacht und erhalten von diesen praktische Anleitung vor Ort.
- Er rät auch dazu, dass alle Unternehmen ihre Meetings mit dem Thema Sicherheit beginnen sollten, um deren Bedeutung zu vermitteln und damit sich dies in der gesamten Belegschaft immer mehr verankert.
- Um noch einmal Hari zu zitieren: „Jedes Leben ist gleich viel wert … Kultureller Wandel betrifft nicht nur die eigenen Mitarbeiter eines Unternehmens, sondern auch die Fremdfirmen, da sie möglicherweise nicht über die Ressourcen für eine Transformation verfügen.“
Die Diskussionsteilnehmer betonen auch, dass es ebenso wichtig ist, die Perspektive der Produktion zu verstehen sowie realistische Prognosen zu erstellen und Spielraum für Fehler einzuräumen.
- Keith erklärt, dass in der Bauwirtschaft bereits der Beschaffungsprozess (wie die Beauftragung der Fremdfirmen oder die Projektplanung) oft nicht optimal verläuft, indem Personen, die nicht am eigentlichen Bauvorgang vor Ort beteiligt sind, Druck in Bezug auf die Bauzeit machen, da der Kunde sein Projekt fristgerecht abgeschlossen haben möchte: „Wir müssen die Kunden und alle Beteiligten aufklären“, sagt er.
Kontext zum Thema von Larry Wilson von SafeStart: „Die Aufklärung der Kunden ist wirklich entscheidend: Damit dies funktioniert, müssen Sie dem Kunden die Realität der Menschlichkeit vermitteln. Niemand will damit in die Schlagzeilen geraten, wie sein neues Unternehmen zusammen mit einer Tragödie entstanden ist … und es will auch niemand diese Tragödie. Wenn es also zu einer unvorhergesehenen Verzögerung kommt, entweder durch unser eigenes Verschulden oder durch Umstände höherer Gewalt, dann muss es ein Verständnis dafür geben, dass wir die Risiken minimieren und nicht einfach erhöhen.
Im Geschäftsleben wie auch im Privatleben kann es immer zu „Wartezeiten“ kommen: Wichtig ist, wie man damit umgeht:
- David erklärt hierzu, dass viele Menschen die Wartezeit bei Verzögerungen nicht produktiv nutzen. „Es kommt häufig vor, dass wir nicht das Teil haben, das wir brauchen, wenn wir es brauchen, und wir wissen, wenn wir das Teil bekommen und einbauen, dann wird dies außerhalb der normalen Abfolge unserer Tätigkeit geschehen”, führt er aus. „Daher ist es entscheidend, diese Gelegenheit zu nutzen und zu entscheiden, wie konkret vorgegangen werden soll, wenn das Teil schließlich geliefert wird, anstatt davon auszugehen, „meine Jungs wissen, was sie tun“.“
- Darüber hinaus weist er darauf hin, dass, indem die Mitarbeiter in den Bereichen Sicherheit und Produktion enger zusammenarbeiten, „wir ein besseres Endergebnis für die Mitarbeiter und das Unternehmen erzielen“.
Während es in der Realität Konflikte zwischen Produktion und Sicherheit geben kann, haben diese Panel-Diskussionen gezeigt, dass die Zusammenarbeit und Integration beider Bereiche der Schlüssel zum Erzielen optimaler Ergebnisse sind.
Sicherheit kann die Produktion verbessern und die Produktion kann die Sicherheit unterstützen. Beides muss sich nicht gegenseitig ausschließen, aber es braucht eine gewisse Reife um zu begreifen, dass menschliche Fehler ein Problem sind, nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für Produktion, Qualität und Kundenservice.
Und dass menschliche Fehler durch eine Verbesserung des Systems und die Schulung der Mitarbeiter signifikant minimiert werden können. Um dies erfolgreich umzusetzen, sind jedoch eine starke Führung und eine gute Kommunikation von der obersten Führungsebene zur Belegschaft erforderlich.