Ursprünglich hatte ich einen anderen Titel im Sinn, nämlich ,Den aalglatten Manager in die Schranken weisen‘“, sagt Larry Wilson, der Autor von SafeStart und Moderator von SafeConnection, zu Beginn des Expertenpanels. ”Aber ich habe den Titel etwas abgeschwächt. Denn in den allermeisten Fällen handelt es sich dabei nicht um schlechte Menschen. Sie sind lediglich schwer zu greifen und Profis im Ausweichen. Und ob es uns gefällt oder nicht: Wahrscheinlich gibt es sie in jedem Unternehmen.“ Diese Führungskräfte sprechen sich natürlich nicht öffentlich – und wohl auch nicht privat – gegen Sicherheit aus. Aber sie gehen bei dem Thema nur selten in die Vollen. In der Regel haben sie andere Stärken als Sicherheit und Gesundheitsschutz – und üblicherweise treiben sie lieber ihre Herzensthemen voran.
”Außerdem sind sie gut im Aufschieben und Prokrastinieren”, ergänzt Dr. Waddah Ghanem (Senior Director beim Fellow Board Directors Institute GCC). Ganz gleich, ob er Sicherheits-Initiativen verzögert, verschleppt oder sich einfach nicht voll engagiert – ein widerspenstiger Manager hat erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen. Deshalb möchte Larry wissen, was bei den Panelteilnehmern im Umgang mit solchen Führungskräften wirklich funktioniert hat und mit welchem Vorwissen sie gerne an diese Aufgabe herangegangen wären.
Zunächst aber: Von wie vielen Mitarbeitern sprechen wir eigentlich? Wie hoch ist ihr Anteil? Oder anders gefragt: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man es als neue Sicherheitsfachkraft mit einem widerspenstigen Manager zu tun bekommt?
- “Auf diese Frage muss ich zwei Antworten geben”, sagt Alex Carnevale (Präsident bei Dynacast International). “Bei Managern, die aus der Fertigung oder Produktion stammen, sind es etwa 25 Prozent. Aber bei Managern, die nicht in einem solchen Umfeld arbeiten, liegt der Anteil höher: bei etwa 80 Prozent.“ Eilig fügt Alex einen Hinweis hinzu, der in dieser Diskussionsrunde oft geäußert wird: “Diese Führungskräfte machen nicht absichtlich das Falsche. Aber Gesundheit und Sicherheit genießen bei ihnen keine hohe Priorität.”
- Anthony Panepinto, PhD (Senior Director Health, Safety, and Environment Affairs bei Proctor & Gamble) stimmt dem zu: “Während meiner gesamten Laufbahn habe ich festgestellt, dass Menschen, die in einer operativen Funktion aufgestiegen sind, tendenziell eine größere Sensibilität für Sicherheit, Gesundheit und Umwelt haben. Anders bei Menschen aus dem Finanzbereich: Dort widmen wohl 80 bis 90 Prozent diesen Themen keine besondere Aufmerksamkeit.”
- Hector Salazar (Director H&S bei Dragados Canada), der in Lateinamerika, Indien und Kanada gearbeitet hat, schätzt den Anteil der “wirklichen, echten Widerspenstigen” auf nur fünf Prozent – also Mitarbeiter, die sich offen gegen Sicherheit stellen und andere im Unternehmen dazu bringen, es ihnen gleichzutun.
Als Nächstes macht sich die Expertengruppe daran, verschiedene Arten von widerspenstigen Managern zu definieren, um ihrem Einfluss besser entgegentreten zu können.
- Anthony liefert folgende nützliche Kategorisierung: “Es gibt vier Grade von Widerspenstigkeit. Erstens gibt es so etwas wie Selbstherrlichkeit – hier glaubt der Manager, er sei eine Art Management-Guru und man könne ihm nichts sagen. Die nächste Stufe ist Gleichgültigkeit – das heißt, die Führungskraft spricht über Sicherheit, nur wenn sie muss. An dritter Stelle stehen die Passiven – sie halten sich für zu beschäftigt, um sich mit Sicherheit und Gesundheitsschutz zu befassen, nach dem Motto: Soll sich doch jemand anderes darum kümmern. Die letzte Art sind die inkonsequenten Manager – sie handeln korrekt, allerdings nur, wenn sie dabei beobachtet werden.
Der Schlüssel zum Umgang mit widerspenstigen Managern lautet, ihre Motivation entdecken und verstehen:
- “Manche Manager möchten Gutes tun, wissen aber nicht, wie. Das könnte an ihrer Ausbildung liegen, oder daran, dass sie eingeschüchtert sind”, sagt Alex. “Nur sehr wenige Menschen halten wirklich gar nichts von Sicherheitsbemühungen. Diese Grundakzeptanz ist ein guter Ausgangspunkt. Denn dann geht es lediglich um die Umsetzung.”
Ein Erfahrungswert von Larry Wilson: “Inkonsequenz ist wohl das Schwierigste, zumindest als externer Berater. Man denkt, man ist zu den Mitarbeitern durchgedrungen – aber dann verlässt man das Unternehmen wieder, und nichts geschieht.” Alex stimmt dem zu: “Die Mitarbeiter mit zwei Gesichtern sind wirklich ein besonderer Fall. Mit ihnen muss man sich schnell befassen. Denn das Problem geht über Widerspenstigkeit hinaus. Noch schlimmer sind Manager, die Bemühungen untergraben.
Die Diskussionsteilnehmer nennen einige Beispiele für Strategien, die nicht funktionieren:
- “Ich habe mal versucht, Geld für industrielle Beatmungsgeräte zu bekommen”, berichtet Anthony. “Ich legte dem leitenden Angestellten eine ganze Reihe von Daten vor, um die Notwendigkeit der Geräte zu untermauern. Aber er sagte: ,Nun, Sie haben mir tote Ratten gezeigt, keine toten Menschen – warum sollte ich Ihnen also dieses Geld geben?’ Das zeigt: Den Menschen geht es letztlich um die Menschen. Dieses gemeinsame Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren.”
- Direkte Konfrontationen sollte man vermeiden, insbesondere vor anderen. Alex erzählt von einer Begegnung, die er als junger Mann mit einem CEO hatte: “Ich habe ihm in einem Meeting vorgeworfen, er kümmere sich nicht genug um Sicherheit. Zum Glück war er ein recht entspannter Chef … Als wir uns anschließend unter vier Augen unterhielten, erkannte er, dass ich aus einer guten Absicht heraus gesprochen und mich lediglich ungeschickt angestellt hatte.”
Ein Insight von Larry Wilson: „Die Art und Weise, wie man Menschen mit einzubeziehen versucht, macht einen großen Unterschied. Im persönlichen Vier-Augen-Gespräch funktioniert es am besten.”
Wie also kann man einen Manager von den eigenen Zielen überzeugen und ihn auf diesem Weg mitnehmen? Nicht zuletzt durch das Erzählen von Geschichten:
- “Zu Beginn meiner Karriere kam ich als Erster an den Unglücksort eines tödlichen Unfalls, bei dem einer Person der Kopf abgetrennt wurde”, berichtet Anthony. “Dieses Erlebnis beschäftigt mich bis zum heutigen Tag. Und mit dieser tragischen Geschichte versuche ich, neuen Betriebsleitern klarzumachen: ,Ihr möchtet sicher nicht, dass euch auch so etwas passiert – denn so eine Erfahrung lässt euch nie wieder los.‘”
- Das unterstreicht Alex mit einem Erlebnis, das er mit einem leitenden Angestellten in einer Fabrik hatte. Der Mann nutzte beim Hinabsteigen einer Treppe das Geländer und erzählte ihm, dass ein Kollege, der sich nicht festgehalten hatte, die Treppe hinabgestürzt und dabei ums Leben gekommen war. “Nicht nur alle in der Fabrik waren betroffen”, erzählt Alex, “sondern auch ich war betroffen, als er mir die Geschichte erzählte. Das Erzählen von Geschichten schafft eine emotionale Verbindung, die Menschen für ein Thema sensibilisiert.”
Bei der Zusammenarbeit mit mehreren Auftragnehmern benötigt man nicht nur eine einzelne Führungsperson. Vielmehr geht es darum, eine Gruppe von Förderern zu bilden:
- “Das Investitionsvolumen in Toronto, Ontario, ist enorm”, erklärt Hector, “deshalb beziehen wir kleine und mittlere Bauunternehmen mit ein. Sie haben rund um Dragados herum eine Allianz und einen Partnerschaftsverband gebildet. Wenn sie die Tür zum nächsten Projektvertrag öffnen möchten und wenn wir dabei Sicherheit zu einem Hauptziel erklären – dann halten sich die Widerspenstigen zurück und geben weniger Störgeräusche von sich.”
Larry fragt die Diskussionsteilnehmer, die alle über langjährige Erfahrung im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz verfügen, was sie rückblickend zu Beginn ihrer Arbeit gerne schon gewusst hätten:
- “Gehen Sie zu der Person, die Sie für Ihren größen Widersacher halten”, empfiehlt Anthony. “Setzen Sie sich hin und fragen Sie sie, was sie motiviert, jeden Tag zur Arbeit zu kommen – und was sie demotiviert, den Betrieb sicher und gesundheitsgerecht zu führen.”
- “Seien Sie sich darüber im Klaren, was Sie zu tun haben, und gehen Sie die Sache dann an”, sagt Hector. “Gewinnen Sie die Bereitschaft der Menschen, Ihnen zu folgen. Halten Sie den Druck aufrecht und geben Sie nicht nach. Irgendwann werden die Mauern von Jericho fallen”, scherzt er.
- Für Alex liegt die Erfolgsformel darin, “zu vereinfachen, was man verlangt, aber ohne es zu verwässern. Das ist nicht leicht.”
- Anthony fügt hinzu: “Jeder hat gerne eine Wahl. Also versuche ich, ihnen drei Optionen zur Verbesserung der Sicherheit zu bieten und sie entscheiden zu lassen, welche sie wählen wollen.”
Ein Profi-Tipp zum Verständnis von widerspenstigen Managern: “Viele von ihnen wähnen sich auf einer geheimen Mission, von der sonst niemand weiß”, sagt Hector. “Sprechen Sie also mit ihnen und finden Sie heraus, was das ist.”
Ob man sie nun als aalglatt oder widerspenstig bezeichnen möchte – der Umgang mit solchen Führungskräften ist schwierig. Und es gibt sie überall. Aber unabhängig davon, wie verbreitet sie sind, zeigen die Diskussionsteilnehmer: Es ist möglich, mit ihnen umzugehen. Ein guter Ansatz ist eine einfühlsame Kommunikation, um eine gemeinsame Basis zu finden. Dies kann bei einem Gespräch unter vier Augen erfolgen oder durch das Erzählen von Geschichten. Auch einem widerspenstigen Manager ist die Sicherheit der Menschen höchstwahrscheinlich nicht gleichgültig; er hat nur konkurrierende Prioritäten. Schaffen Sie ein gegenseitiges Verständnis – und nehmen Sie ihn mit auf den weiteren Weg.
Oder wie Larry es ausdrückt: “Wenn Sie diesen Leuten einen Spiegel vorhalten, versuchen Sie, ihnen einen freundlichen Spiegel vorzuhalten.” Machen Sie die Dinge nicht unnötig kompliziert und stellen Sie die Sicherheit der Mitarbeiter in den Vordergrund. Das Wichtigste ist, nicht nachzulassen.