Non-Compliance bekämpfen: 3 Tipps, um die Arbeitssicherheit im Betrieb nachhaltig zu verbessern

Jeder Betrieb ist – mehr oder weniger oft – damit konfrontiert: Der Nichtbeachtung von Sicherheitsregeln und -vorschriften. In der Folge ereignen sich immer wieder teils schwere Arbeitsunfälle, die manchmal sogar tödlich enden. Doch was passiert eigentlich, bevor Regeln gebrochen werden? Wie entsteht Non-Compliance? Und was können Sie tun, um die Arbeitssicherheit im Betrieb nachhaltig zu verbessern? Die Antworten auf diese Fragen erfahren Sie in diesem Artikel.

Non-Compliance: Nachlässigkeit oder bewusste Entscheidung?

Immer wieder kommt es vor, dass Mitarbeiter Sicherheitsregeln missachten. Sie entfernen zum Beispiel Schutzvorrichtungen an Geräten oder verzichten auf die PSA. In vielen Fällen mag trotzdem alles gut gehen – und im Gehirn brennt sich ein: Bisher ist doch auch nie etwas passiert. So entstehen negative Gewohnheiten, die die Arbeitssicherheit im Betrieb gefährden.

Mitarbeiter in Arbeitskleidung und Sicherheitshandschuhen hält orange-farbenen Schutzhelm mit Gesichtsvisier in Händen
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(Bild: © Tomasz Zajda | stock.adobe.com)

Aber auch wenn es sehr oft gut geht – meist kommt der Tag, an dem dann doch ein Unfall passiert: Beim Schneiden mit dem Winkelschleifer ohne Schutzbrille fliegt ein Metallsplitter ins Auge und man verliert einen Teil seiner Sehkraft. Kurz vor Feierabend geht man noch einmal kurz aufs Dach ohne sich anzuseilen, man kommt ins Straucheln und fällt.

Warum verhalten wir uns nicht regelkonform?

Die Beweggründe für Non-Compliance lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: Entweder wir machen einen Fehler, weil wir uns in einem Zustand befinden, der uns nachlässig macht. Unser Fehler ist also das Resultat von Ablenkung, die durch eine psychische oder physische Verfassung entsteht. Oder wir entscheiden uns ganz bewusst, die Regeln zu brechen.

1. Fehler infolge von Gemütszuständen

Man ist müde, hektisch, frustriert und / oder überschätzt sich selbst. In der Folge lassen wir uns ablenken und konzentrieren uns nicht mehr auf unsere eigentliche Tätigkeit. Ein solcher physischer oder psychischer Gemütszustand steht damit am Anfang der Fehlerkette, die leider immer wieder in schwerwiegenden Unfällen münden. In den meisten Fällen unterschätzen wir zudem die Auswirkungen dieser Zustände. Hinzu kommt, dass sie häufig in Kombination auftreten. Dies erschwert es uns zusätzlich, rechtzeitig auf sie zu reagieren und beispielsweise das Konzept des Self-Triggerings anzuwenden.

Eine Sonderrolle unter den Zuständen nimmt die Selbstüberschätzung ein, weil sie für den Betroffenen selbst so schwer zu erkennen ist. So macht uns Berufserfahrung zwar routinierter und selbstbewusster in unseren Aufgabenfeldern – oft werden wir aber zu selbstbewusst und überschätzen uns selbst. Gerade mit wachsender Berufserfahrung passieren mehr Unfälle und Verletzungen bei der Arbeit. Dann wird aus einem „Wir kennen uns aus“ ein „Wir kennen uns zu gut aus“ – und überschätzen uns selbst.

2. Fehler infolge falscher Entscheidungen

Meist liegt der Entscheidung, die Regeln zu brechen, Selbstüberschätzung zugrunde: Man ist der Meinung, so erfahren und routiniert zu sein, dass man auf Schutzvorrichtungen oder Sicherheitsausrüstungen verzichten kann – weil man ohnehin nicht stolpert oder beim Schneiden mit dem Winkelschleifer nicht abrutscht. Allerdings werden auch diese fatalen Entscheidungen wiederum meist unter dem Einfluss eines oder mehrerer der oben genannten Zustände – Hektik, Frustration, Müdigkeit und Selbstüberschätzung – getroffen. (Mehr dazu im Artikel 9 der Paradigmenwechselreihe „Fatale Entscheidungen – Warum wir unsere eigenen Regeln brechen und wie wir das verhindern können“).

Was die Arbeitsunfall-Statistik sagt

Silhouette eines Mitarbeiters, der eine lange Eisenstange über der Schulter über die Baustelle trägt, mit Sonnenuntergang im Hintergrund
Beobachten und aus den Fehlern und fatalen Entscheidungen anderer lernen, bevor ein Arbeitsunfall entstehen kann: Diese Case Study beweist, dass sicheres Verhalten am Arbeitsplatz über Compliance Management hinausgeht – wenn jeder Einzelne die Verantwortung für die eigene Sicherheit anerkennt!
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(Bild: © bannafarsai | stock.adobe.com)

Das bedeutet: Welche Tätigkeit wir gerade ausführen hat nur einen geringfügigen Einfluss auf unser Fehler- und Verletzungsrisiko. Stattdessen ist entscheidend, wann wir etwas tun beziehungsweise in welchem körperlichen oder Gemütszustand wir uns dabei befinden. Zwar listet die Statistik zu den tödlichen Unfällen am Arbeitsplatz für das Jahr 2015 folgende fünf Gewerbe als die gefährlichsten auf:

  1. Bau
  2. Produktion
  3. Logistik und Lagerung
  4. Land- und Forstwirtschaft
  5. Fischerei;

aber die Fehlermuster, die dem Arbeitsunfall jedoch vorausgehen, finden sich in allen Arbeitsumgebungen.

Liegt es wirklich am Compliance Management? Fatale Entscheidungen geben den Ausschlag

Letztendlich kommt es also nicht darauf an, was wir tun, sondern darauf, wann wir es tun. Ein Risiko entsteht nicht allein durch die Tätigkeit an sich, sondern durch die Rahmenbedingungen und den individuellen Zustand, indem wir sie verrichten. Fakt ist, dass

  • 75 Prozent aller tödlichen Arbeitsunfälle auf fehlerhaftes Arbeiten der Verunglückten selbst zurück gehen, wie die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie in ihrer Vision Zero unter Lebensretter 2 schreibt.
  • Gewohnheit und Erfahrung zur Gefahr werden können: Es ereignen sich deutlich mehr tödliche Unfälle unter älteren Mitarbeitern (höchste Unfallzahlen für die Altersgruppe von 50 bis 54 Jahren).
  • sich bei jedem fünften Arbeitsunfall die Mitarbeiter über Sicherheitsvorschriften hinwegsetzten, indem sie notwendige und vorhandene Sicherheitseinrichtungen sowie die persönliche Schutzausrüstung (PSA) nicht benutzten.

Schwere Arbeitsunfälle entstehen also entweder, weil wir uns in einer Gemütsverfassung befinden, in der wir uns schlechter konzentrieren können und in deren Folge wir fehleranfälliger werden – ob wir wollen oder nicht. Mindestens ebenso oft sind sie die Folge unserer eigenen Entscheidungen: Wir tun etwas, von dem wir wissen, dass wir das „eigentlich nicht tun sollten“ und missachten bekannte Regeln. Auch in diesem Fall sind es aber die Zustände Hektik, Frustration oder Müdigkeit, die uns dazu bringen, diese falschen Entscheidungen zu treffen.

Was aber können Mitarbeiter, Führungskräfte und Management tun, um das Compliance Management und damit die Arbeitssicherheit im Betrieb zu verbessern? Die folgenden 3 Tipps helfen Ihnen dabei.

3 Compliance-Tipps, um Arbeitsunfälle zu vermeiden

Compliance-Management ist ein Dauerthema in Unternehmen. Die Beachtung von Sicherheitsvorschriften muss jeden Tag und dauerhaft im Bewusstsein verankert werden. Es reicht nicht, einmal jährlich einen Workshop zu veranstalten und dann nicht mehr darüber zu sprechen. Stattdessen muss die Umsetzung von Sicherheitsregeln für alle Betriebsangehörigen zur Gewohnheit werden – und dafür braucht es Übung. Die bekommt man zum Beispiel, indem man aus eigenen Fehlern und denen anderer lernt. Kollegen sollte man (konstruktiv) auf risikoreiche Verhaltensmuster ansprechen. Die Reflexion über die einflussreichen und oft verhängnisvollen Zustände Hektik, Frustration, Müdigkeit und Selbstüberschätzung sollte immer präsent sein. Dabei hilft auch eine sicherheitsgerichtete Kommunikation auf Augenhöhe, die zur gelebten Sicherheitskultur des Unternehmens gehört – jeden Tag. Davon profitieren Sie und Ihre Mitarbeiter nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch zu Hause und unterwegs.

Die folgenden 3 Tipps helfen Ihnen dabei, in Ihrem Unternehmen eine lebendige Sicherheitskultur im Unternehmen zu etablieren und Non-Compliance wirksam zu bekämpfen.

Tipp 1: Führungskräfte richtig trainieren

Die Sicherheitskultur eines Unternehmens hat zentralen Einfluss auf das Sicherheitsmanagement sowie die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften. In puncto Kultur wiederum nehmen Führungskräfte eine entscheidende Rolle ein: Nur wenn sie eine Vorbildfunktion haben und mit gutem Beispiel vorangehen, werden Sicherheitsmanagement und Sicherheitskultur ernstgenommen. Wie kann das gelingen? Die wichtigste Voraussetzung ist, dass auch Führungskräfte über die wesentlichen Arbeitsprozesse und die Sicherheitsvorschriften Bescheid wissen. Doch dies ist nur ein Baustein: Auch das Wissen darüber, wie menschliche Faktoren die Sicherheit beeinflussen können, muss vorhanden sein. In regelmäßigen Team-Meetings sollte dann eine offene Kommunikationskultur zum Thema Sicherheit etabliert werden. Auch Feedback-Gespräche oder -Tools können hier einen wichtigen Beitrag leisten, da sie niedrigschwellig Partizipation ermöglichen. Nur durch einen offenen Austausch kommt das Thema Sicherheit auf die Tagesordnung und rückt ins allgemeine Bewusstsein. Was insbesondere Sicherheitsverantwortliche tun können, um einen Wandel der Unternehmenskultur effektiv voranzutreiben, erfahren Sie in unserem kostenfreien Artikel „Sicherheitskultur und Unternehmenswandel“:

Tipp 2: Mitarbeiter gezielt sensibilisieren

Die Entwicklung von Fähigkeiten ist aber nicht nur auf der Führungsebene wichtig. Auch die Mitarbeiter selbst sollten sowohl die Sicherheitsvorschriften kennen als auch wissen, wie ihre psychische und physische Verfassung die Qualität und vor allem die Sicherheit von Arbeitsprozessen beeinflusst. Nur wenn Mitarbeiter selbst diese Fähigkeiten besitzen, sind sie in der Lage, eigenverantwortlich für ihre Sicherheit zu sorgen. Denn im entscheidenden Moment kommt es auf sie selbst an: Schließlich geht es bei konsequenter Compliance und Sicherheit am Arbeitsplatz darum, wichtige Entscheidungen in Echtzeit zu treffen – und so Unfälle und ihre Folgen vorab zu vermeiden.

Die Stärkung von Eigenverantwortung fördert auch eine positive Einstellung gegenüber dem Thema Sicherheit. Ist Sicherheit nur ein Thema des Fachbereichs, so besteht die Gefahr, dass Sicherheitsmanager als Nörgler wahrgenommen werden, die ständig Kontrolle ausüben. Liegt das Thema jedoch in erster Linie in den Händen derer, die davon betroffen sind, so steigt die Identifikation und damit auch die positive Wertschätzung von Sicherheit. Denn letztendlich möchte jeder Mensch sicher arbeiten und unverletzt nach Hause kommen. Binden Sie deshalb Ihre Mitarbeiter mit ein, übertragen Sie Verantwortung und ermöglichen Sie ihnen, ein persönliches Bewusstsein für Risiken zu entwickeln.

Tipp 3: Techniken zur Reduzierung kritischer Fehler anwenden

Die notwendigen Fähigkeiten im Unternehmen können Sie mit dem SafeStart Sicherheitstrainingsprogramm entwickeln. Dort lernen Sie und Ihre Mitarbeiter, wie Sie mit den Zuständen Müdigkeit, Frustration, Hektik und Selbstüberschätzung umgehen können, um Verletzungen und Unfälle langfristig zu vermeiden. Dazu gehören unter anderem die Techniken zur Reduzierung kritischer Fehler (Critical Error Reduction Techniques, kurz: CERTs), die sowohl auf Erfahrungswerten als auch auf wissenschaftlichen Grundlagen aufbauen. Denn wenn Sie und Ihre Mitarbeiter sowohl die die Sicherheitsvorschriften kennen und befolgen als auch in der Lage sind, Gemütsverfassungen zu erkennen, zu beurteilen und sich in der Folge und in Echtzeit richtig zu verhalten, dann können Sie sowohl die Fehler vermeiden, die unbeabsichtigt und unbewusst entstehen als auch Non-Compliance-Entscheidungen, mit denen Sie Regeln bewusst brechen, unterbinden – und damit die wichtigsten Unfallursachen bekämpfen.

Mehr über fatale Entscheidungen und ihre Entstehung erfahren

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(Bild: © Jirapas | stock.adobe.com)

Um mehr darüber zu erfahren, wie und warum wir immer wieder fatale Entscheidungen treffen, lesen Sie unseren aktuellen Beitrag in der Reihe Paradigmenwechsel in der Arbeitssicherheit. Im September erhalten Sie unter anderem Antworten auf die Fragen,

  • Warum wir gerade mit wachsender Berufserfahrung mehr fatale Entscheidungen treffen
  • Wie die Momente entstehen, in denen wir kurz schutzlos sind und uns die schlimmsten Arbeitsunfälle passieren
  • Warum wir hier nicht von Ausnahmen zur Regel sprechen können
  • Welche Tragweite fatale Entscheidungen haben können
  • Welche Rolle die Gewohnheit der Mitarbeiter dabei spielt – und was Sie tun können.

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(Coverbild: © weerasak | stock.adobe.com)